Der Jogger trug Hellblau. An seinem Handgelenkt hektisches Pulsuhr-Piepen, was an seinem rasenden Herzen und dem schnellen Atem lag, der stoßweise kam und ihn kaum sprechen ließ. Das Kritzeln des abgegriffenen Kugelschreibers in der Hand des Beamten expandierte dröhnend in den Wald hinein. An der Pulsuhr hätten die Zeiger rotiert, wäre sie analog gewesen.
Die Fliegen hätte er zuerst bemerkt oder diesen Geruch, es ließ sich nur noch schwer in ein Vorher und Nachher einordnen, alles verschwamm im Braun der Erde, dem satten Grün der Sträucher und den starr starrenden Augen, ja, vor allem in den Augen. Der Schatten der Bäume kühlte den schweißnassen Sportler jetzt aus, wie er still da stand, versuchte, seinen Atem unter Kontrolle zu bringen und dem Beamten ruhig all die Details aufzuzählen, die er erinnerte und dabei verzweifelt vergessen wollte.
Der Wind strich durch die Papiere, offizielle Unterlagen, zivilisierter Strohhalm in diesem versumpften Gebiet, das die Marken-Sportschuhe des Joggers kalt und schmutzig durchtränkte. Worüber man sich so Gedanken machte, als wären Schuhe noch wichtig, als hätte irgendetwas Bedeutung außer dieser Augen, außer dieses erstarrten Seins, außer ihr. Der Jogger zog den geschlossenen Reißverschluss seiner Jacke hoch, kramte nach einem Taschentuch oder irgendetwas Ähnlichem, an dem er sich festhalten konnte wie der steife Beamte an seinem Notizblock, von dem er nicht einmal aufblickte, wenn er etwas fragte.
‚Der Wald ist alt‘, dachte oder sagte der Jogger. Der Kugelschreiber stockte kurz und rannte weiter.
Fast jeden Tag gehe er hier laufen, bestätigte er eifrig und nickte, sich insgeheim an den Gedanken klammernd, dass er weiterhin joggen würde können, im Gegensatz zu ihr, deren leere Augen jetzt hinter einem offiziellen Reißverschluss verschwanden, aber nicht aus dem Gedächtnis des Joggers, der die Arme verschränkte, als könne ihn diese Geste wärmen.
Modrig rankte der Weg sich weiter bis ans Ende des Waldes, das von hier aus nicht zu sehen war, und schwieg. Blauer Himmel breitete sich unerhört aus und die Sonne leckte friedlich über jedes freie Stück Land, lud zum Frühling ein, war rücksichtslos glücklich. Der Jogger starrte auf seine Füße, auf seine Hose, auf die schwielige Hand mit dem Kugelschreiber, auf seine Füße.
Er hörte das Rascheln, die Schritte der Beamten, er harrte aus, verschloss kurz die Augen vor dieser Realität, es musste jetzt wohl 9:15 sein oder später, er dachte an Wäsche waschen, heiß duschen, warme Füße haben, ein Zuhause.
Erst viel später, als die Beamten verschwunden und die Stille in den Wald zurückgekehrt war, drehte er sich langsam auf der Stelle, suchte den Ausgang, wohl wissend, dass es keinen mehr gab. Zögernd ging er in die Richtung, in der er seine Wohnung und sein Leben vermutete, und hinter ihm schluckte der Wald jede Regung und jedes Gefühl von Vertrauen.