Als wir am Morgen an der Schule ankamen, sahen wir sofort den Menschenauflauf, der unruhig und lärmend vor dem Gebäude herumwuselte. Doch unsere Hoffnung auf einen spontanen Schulausfall wurde augenblicklich zerschlagen: Die Türen zum Gebäude standen weit offen und der Direktor hielt eine Ansprache, die gerade begonnen hatte.
„… und Schüler der Gesamtschule! Heute Nacht wurde das Maskottchen unserer Schule – das Meerschweinchen – entführt! Um es so schnell wie möglich wiederzufinden, bitte ich euch alle um eure Mithilfe. Geht bitte sofort in eure Klassen. Dort werdet ihr von den entsprechenden Lehrkräften in kleine Gruppen eingeteilt, in denen ihr losgehen und unser Maskottchen suchen werdet. Viel Erfolg und denkt daran: Es geht um die Ehre und das Ansehen unserer Schule.“
Kaya verzog das Gesicht und sah mich genervt von der Seite an.
„Ich weiß nicht, ob ich das nicht sogar schlimmer finde, als den langweiligen Unterricht von Schiller – da könnte ich wenigstens nebenbei ein bisschen zeichnen.“
Schiller war unser Deutschlehrer – ist wohl klar, warum wir ihn so nannten.
Ich nickte geistesabwesend und war mir nicht sicher, ob ich Kaya sagen konnte, dass unser Maskottchen – das kleine, niedliche Meerschweinchen – mir schon ans Herz gewachsen war und ich mir durchaus Sorgen um seinen Verbleib machte. Vielleicht würde Kaya das aber auch total unmännlich finden – und ihre Meinung war mir wiederum um einiges wichtiger als das süße, flauschige Meerschwein.
In der Klasse war schon großer Aufruhr. Schiller hatte bereits begonnen, die Such-Gruppen einzuteilen, und Kaya drängte sich dicht an meine Seite – was mir natürlich sehr gefiel. Ihre Annäherungsversuche waren erfolgreich, denn wir waren zusammen in einer Gruppe; und machten uns direkt auf den Weg.
Schülerscharen strömten auf den Schulhof und drehten jeden Stein, jedes Gebüsch und jedes benutzte Papiertaschentuch um. Doch wir fanden nichts.
Kaya bedeutete mir, dass jetzt der richtige Zeitraum zum Abhauen war.
Hätte ich gewusst, was als Nächstes passieren würde, hätte ich nicht gezögert. Ich hätte auf dem Absatz kehrt gemacht und Kaya vom Schulhof gezogen. Doch so brauchte ich einen kleinen Moment, bedachte die Konsequenzen und wog die Vor- und Nachteile ab. Zum Glück entschied ich mich noch rechtzeitig dazu, hinter Kaya herzulaufen und das Schulgelände zu verlassen, was in der chaotischen Aktivität der anderen Schüler tatsächlich nicht auffiel.
„Es ist immerhin interessant.“, sagte Kuschel und kaute dabei gedankenverloren auf einem Grashalm herum.
„Was genau?“, fragte Flausch und suchte zu Kuschels Füßen nach diesen verlockend aussehenden Grasflecken.
„Wie sehr sie sich bemühen“, mümmelte Kuschel, „wo sie sich doch sonst eigentlich nicht besonders viel um mich gekümmert haben. Außer dieser eine … der war wirklich nett. Hat mir immer mal wieder einen Löwenzahn mitgebracht und mich nie von oben angegriffen. Ein wirklich freundlicher Typ!“
„Und, was meinst du“, fragte Flausch und zupfte einen Grashalm direkt vor Kuschels Füßen ab, „Sollen wir ihn in unseren Plan einweihen?“
„Auf keinen Fall!“, antwortete Kuschel bestimmt und sah sich zu der Handgranate um, die gut versteckt unter dem Rhododendrongebüsch lag und auf ihren Einsatz wartete.
„Niemand erfährt etwas von unserem Plan …“
Und Flausch nickte.