Ein kleiner Apfel hing glücklich am Zweig eines Apfelbaumes. Er freute sich so sehr, dass es ihn gab, dass er das Licht der Sonne spürte und das Kitzeln der Regentropfen. Er freute sich über das Zwitschern der Vögel, die sich in seinem Apfelbaum ausruhten, und über die Menschen, die es sich auf der Wiese unter seinem Bauch bequem machten und die Stunden verstreichen ließen. Jedes Mal, wenn die Sonne schien oder der Regen prasselte, reckte und streckte er sich besonders, denn er wollte gerne groß und rotbäckig werden.
Nachts, kurz bevor er sich dem Schlaf ergab, malte er sich sein Leben nach der Apfelernte aus. Er stellte sich vor, wie er zu köstlichem Kuchen oder heißen Apfelpfannkuchen verarbeitet wurde, er malte sich große Gläser Apfelkompotts aus und große Schüsseln voll Obstsalat. Der kleine Apfel freute sich auf die große Aufgabe, die das Leben für ihn bereithielt, und konnte den Tag seines Pflückens überhaupt nicht erwarten.
Doch eines Tages tauchten ein paar Jungs auf, die an allen Sträuchern und Blätter rissen, die ihnen in die Quere kamen. Nachdem sie einige der Blumen, die auf der Apfelbaumwiese wuchsen, zertrampelt hatten, kamen sie zum Apfelbaum, an dem unser glücklicher Apfel hing. Sie griffen nach den Äpfeln, die sie erreichen konnten, rissen sie ab und warfen sie auf den Boden. Und – oh weh! – es traf auch unseren kleinen, glücklichen Apfel, der sich nach den Turbulenzen plötzlich auf dem Boden unter dem Baum wiederfand. So plötzlich wie sie gekommen waren, verschwanden die Jungs wieder und ließen den kleinen Apfel zurück, der bitterlich zu weinen begann. Hier auf dem Boden konnte er nicht mehr wachsen und würde niemals rotbäckig werden! All seine Träume waren dahin, kein Apfelkompott oder köstlicher Apfelkuchen lagen in seiner Zukunft, sondern … nichts.
Als der Apfel so weinend dalag, kam ein kleiner Vogel vorbeigehüpft. Er betrachtete den Apfel einen Moment, dann pickte er ein wenig an ihm herum und sang alsbald ein wunderschönes Lied. Der Apfel, der den Vögeln im Baum immer sehr aufmerksam gelauscht hatte, verstand sofort, was er sagte: Der Vogel rühmte den guten Geschmack des Apfels und fühlte sich so beschwingt, dass er eine Weile wie berauscht von Ast zu Ast und von Strauch zu Strauch flatterte. Der Apfel hörte auf zu weinen und blinzelte dem Vogel ungläubig hinterher.
Kurz darauf kam ein kleiner Käfer vorbeigekrabbelt und zwickte den Apfel in den Po. Dann kniff er kleine Teile aus ihm heraus und schleppte so viele, wie er tragen konnte, in seinen Bau. Einige Stückchen blieben liegen, doch nicht lange: Eine Gruppe Ameisen sauste vorbei und jede nahm sich ein Stückchen des Apfels und trug es in den Ameisenhaufen. Der Apfel kicherte und seine Tränen waren verschwunden. Just in diesem Moment robbte ein Wurm heran. Würmer sind – entgegen der landläufigen Meinung – sehr höfliche Zeitgenossen und so kam es, dass der Wurm den Apfel ansprach, ob er nicht eine kleine Wohnung in seinem Bauch einrichten könne. Der Apfel nickte froh und schon bohrte der Wurm sich in ihn hinein, dass es kitzelte.
Im Laufe der Tage kamen noch viele kleine und größere Wiesenbewohner vorbeigehüpft, –gekrabbelt und –gekrochen – und alle labten sich an dem kleinen Äpfelchen und lobten seinen herrlichen Geschmack und sein fröhliches Gemüt, mit dem er jeden von ihnen freundlich begrüßte.
Und darum ist niemals etwas wirklich schlecht, denn selbst wenn man zu Boden fällt, kann noch etwas Gutes dabei herauskommen …
